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  Hintergrundinformation zum Manuskript von Bischoff:

 

  Aus dem Vorwort des Herausgebers
 

Im deutschsprachigen Raum sind die Werke von LEUPOLD (1727) und von MARTIN (1925, mit Nachtrag bis etwa 1936) die bekanntesten Gesamtdarstellungen über die Entwicklung der instrumentalen Rechentechnik. Der besondere Wert beider Werke liegt darin, daß nicht nur die Rechenwerkzeuge aus der Vergangenheit und der jeweiligen Gegenwart - also das für uns Geschichtliche in seiner Aktualität in weitreichender Vollständigkeit aufgeführt sind, sondern daß auch deren Funktion und Handhabung im einzelnen beschrieben werden. Bei MARTIN ist bezüglich der Vollständigkeit insofern eine Einschränkung zu machen, als er nur Rechenmaschinen mit automatischer Zehnerübertragung behandelt. Darüber hinaus und zwischenzeitlich gibt es verstreut zahlreiche kleinere Abhandlungen, die sich auf Aufzählungen oder Detailbeschreibungen von Einzelgeräten beschränken. Ihre Bibliographie kann der neueren Literatur entnommen werden. In wenigen Aufsätzen wird auf eine dritte kaum bekannte Gesamtdarstellung Bezug genommen.

Es handelt sich dabei um das Manuskript von J. P. BISCHOFF mit dem Titel »Versuch einer Geschichte der Rechenmaschine« aus dem Jahre 1804, welches sich in seinem Aufbau, wie auch zeitlich in die Lücke zwischen LEUPOLD und MARTIN einfügt. Im Technik-Lexikon von FELDHAUS wird dieses Manuskript unter dem Stichwort Rechenmaschine als »umfangreiches Manuskript mit Atlas« bezeichnet. Nach FELDHAUS' Angaben wurde das Manuskript in der Bibliothek der Technischen Hochschule Berlin aufbewahrt. Wie aus dem Anhang II der zweiten Auflage des genannten Technik-Lexikons ersichtlich, sind Manuskript und Zeichnungen, sie trugen die Signatur 3026, während des Zweiten Weltkrieges durch Brand vernichtet worden. Auf etwaige Abschriften liegen keine Hinweise vor.

Herrn MALZ vom Hochschularchiv der Technischen Universität Berlin danken wir für folgende Angaben, die Verwahrung des Manuskriptes in Berlin betreffend:

»Das Bischoff-Manuskript dürfte aus dem Bestand der Bibliothek der Berliner Bauakademie stammen, der 1884 aus dem Gebäude am Werderschen Markt in den Neubau der Berliner TH Übernommen wurde und zusammen mit dem Bestand der Bibliothek der Gewerbeakademie Berlin den Grundstock der TH-Bibliothek bildete. Im 1858 erschienenen »Verzeichnis der in der vereinigten Bibliothek der Kgl. Technischen Bau-Deputation und der Kgl. Bauakademie vorhandenen Werke« ist das Bischoff-Manuskript auf S. 101 aufgeführt. Weitere Angaben über das Werk von BISCHOFF sind hier nicht zu ermitteln, weil auch der gesamte Aktenbestand der TH-Bibliothek während des 2. Weltkrieges verloren ging.
Das Originalmanuskript muß wohl als verloren gelten, denn vor der Bombardierung der TH-Gebäude im Jahre 1943 sind nur kleinere Bestände aus der Berliner TH-Bibliothek ausgelagert worden. Aus dem Brandschutt nach Kriegsende geborgene Restbestände wurden seinerzeit auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsgmacht aus Berlin abtransportiert. Uber den Verbleib dieser Teilbestände aus der ehem. TH-Bibliothek ist hier leider nichts bekannt«.

Allein dem Umstand, daß für das Museum der ehemaligen Firma Grimme, Natalis u. Co. AG, Braunschweig (jetzt Rechenmaschinensammlung des Braunschweigischen Landesmuseums) Maschinenabschriften des Manuskriptes sowie Fotografien und Nachzeichnungen der zugehörigen Tafeln angefertigt wurden, ist es zu verdanken, daß BISCHOFF's Arbeit nicht völlig verlorengegangen ist.

 

 

Der Klappentext

  Im Jahre 1804 legt Johann Paul Bischoff, Kriegs- und Domänenrat am mark-gräflichen Hof in Ansbach, eine um-fangreiche Darstellung der Geschichte der Rechenhilfen und -methoden vor. Er nennt sein Werk 'Versuch einer Ge-schichte der Rechenmaschine'. Es enthält in akribisch genauer Zusammenstellung praktisch alles, was seiner Zeit an Methoden und Geräten zum Rechnen bekannt ist. Das Spektrum reicht vom Rechnen mit den Fingern über ver-schiedene Zahlensysteme bis hin zu den fortschrittlichsten Konstruktionen, wie der weltberühmten Rechenmaschine des württembergischen Pfarrers Hahn. Nach Leupolds 'Theatrum arithmetico-geo-metricum...' von 1727 ist Bischoffs Ver-such die zweite umfassende Darstellung auf diesem Gebiet.
Anders als sein Vorläufer wurde Bischoffs Werk aber nie gedruckt. Das Manuskript wurde in der Technischen Hochschule Berlin aufbewahrt und ging dort im Zweiten Weltkrieg bei einem Brand ver-loren. Erhalten geblieben sind uns lediglich zwei undatierte Abschriften vom Anfang unseres Jahrhunderts.
Bischoffs Werk ist aber mehr als eine historische Darstellung mit ihrerseis historischem Wert. Zum Manuskript gehörten 26 Federzeichnungen, die uns auf Fotos erhalten sind. Ob diese Zeichnungen von Bischoff selbst ange-fertigt wurden, läßt sich heute nicht mehr mit Gewißheit sagen.
Fest sieht aber, daß uns mit diesen Zeichnungen einzigartige Zeugnisse aus einer Zeit vorliegen, in der technische Zeichnungen ihre Herkunft aus der grafischen Kunst noch deutlich zeigten.
Bischoffs Bildtafeln sind so neben detailgetreuen Dokumenten für den Technikhistoriker auch Beispiele von 'Maschinenbaukunst'. Der zweigesichtige Begriff deutet es bereits an, die Faszination dieser Zeichnungen liegt in der Einheit von Technik und Ästhetik. Bischoffs Werk, wenn es denn von seiner Hand stammt, kann so durchaus auch als Vorbote der sachlich-kunsthandwerk-lichen Ästhetik des Biedermeiers gelten.

Wir wissen, daß Bischoff im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts zum Teil weite Reisen unternommen hat, um Rechen-maschinen, von denen er gehört hatte, in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit scheinen zumindest auch Skizzen angefertigt worden zu sein.
Einige der Maschinen waren zu Bischoffs Lebzeiten noch im Versuchsstadium, andere, wie diejenigen von Leibniz und Pascal, sind niemals fertig geworden.
Diese und andere Maschinen finden sich im zweiten Teil der Untersuchung, in der Bischoff die eigentlichen Vorläufer der mechanischen Rechenmaschinen be-schreibt. Er ist überschrieben: 'Von den Rechen-Maschinen mit Rädern'.
Im einzelnen sind das die Maschinen von Pascal (ca. 1640), Morland (ca. 1671), Grillet (1678), Leibniz (ca. 1672), Polenus (1709), Lepine (1725), Leupold (ca. 1727), Poetius (1728), Hillerin de Boitissandeau (1730), Hahn (1779), Müller (1784) und Reichold (ca. 1792).